Abenteuer Yukon Territorium
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    Abschied vom Wasser-Camp

    Auch die Zelte sind noch nass, als wir das Lager abbauen, die Boote beladen und um kurz nach elf den Platz verlassen. Aber jetzt ist wieder Startzeit für das Wunder vom Yukon. Innerhalb weniger Minuten kann sich hier das Wetter ändern, vom Schnee zu Sonnenschein, vom kalten Wind zum lauwarmen Lüftchen. «Gefällt Dir das Wetter nicht«, sagen die Einheimischen am Yukon, »dann warte fünf Minuten, und es wird sich geändert haben!« Recht haben sie, denn die blauen Flecken dort oben am Himmel werden immer größer, es wird zunehmend wärmer und kurz vor Mittag beginnt einer der schönsten Paddeltage, die wir seit Jahren im Yukon Territorium erlebt haben.

    Der Fluss schlängelt sich durch dunkle Wälder, helle weite Wiesenflächen, durch enge, schnell fließende Schluchten, vorbei an riesigen Felsbrocken, die den Strom teilen, weiter durch schmale, unübersichtliche Kurven, vorbei an haushohen Prallwänden, Treibholzhaufen, Baumstämmen und Flachstellen. Eine warme Sonne scheint vom blank geputzten, blauen Himmel, wir fahren mit T-Shirt und Weste, schwitzen vor Freude und Anstrengung und können uns überhaupt nicht satt sehen an dem, was links und rechts des Big Salmon an uns vorbeizieht. Vergessen ist die letzte kalte Nacht, vergessen die nassen Klamotten, und das Bild mit dem Schnee und dem Frost heute Morgen erscheint uns wie ein böser Alptraum. Wir haben schon viele Flüsse in diesem Landstrich gesehen und befahren, aber diese betörende Einsamkeit, diese urgewaltige Schönheit des Big Salmon River ist absolut einmalig. Es war ein hartes, aber wunderschönes Stück Arbeit, bis zu diesem Traumcamp in einer weit geschwungenen Linkskurve zu kommen, das um kurz nach vier Uhr vor unseren Augen auftauchte. Sheep Creek, nannte die Karte den kleinen Bach, der hoch von den Bergen hier in den Big Salmon mündete. Und Sheep Creek, so nannten wir auch unser Camp.

    Eine schmale, hoch gelegene Halbinsel, rechterhand am leise plätschernden Creek gelegen, eröffnete einen wunderbaren Blick über den weiten Fluss, die Schnee bedeckten Berge und die malerische, von Blumen, Gräsern und Schilf umsäumte Bucht, die Ankerplatz für unsere Boote werden sollte.

    Noch immer stand eine strahlende Sonne oben am Himmel, ein leichter, lauwarmer Wind versetzte die dunkelroten Blüten einer mir unbekannten Pflanze in tanzende Schwingungen, Hechte tummelten sich in dem halbrunden, schilfumrahmten Becken und ein alter, grauer Weißkopfadler beobachtet von seinem hohen Aussichtspunkt jede unserer Bewegungen. Nach der grauenhaften, regnerischen Nacht gestern im Wasser-Camp kamen wir uns heute vor wie in einem Paradies. Wir bauten die Zelte auf, machten Feuer, bauten Dreibein und Sitzbank, sammelten Berge von Feuerholz für die Nacht und schälten zum ersten Mal die Gitarre aus ihrer ollen Plastiktüte. Und dann hatte Martin eine grandiose Idee.
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    Band 3 - Eagle Island / Big Salmon River