Royal Flash, oder das verspielte Glück des Salvatore Andreotti
(...) Die Goldsucher am Lake Lindemann hatten im Laufe der langen Wintermonate zunächst nur vermutet, später aber Gewissheit erlangt, dass sie von den beiden Italienern immer wieder übers Ohr gehauen, betrogen und belogen wurden. Die Stimmung gegen die beiden Falschspieler wurde immer rauer, die Kunden in der Spielhölle wurden täglich weniger, blieben plötzlich ganz aus, und einige der Betrogenen verlangten mit Nachdruck ihr Geld und ihre Habe zurück. Das Frühjahr nahte, und die Situation spitzte sich für die beiden Italiener dramatisch zu. Nur die unbeschreibliche Spannung und Nervosität vor dem endgültigen Eisaufbruch hatte in diesen Tagen verhindert, dass die betrogenen Goldsucher, denen seit Wochen und Monaten systematisch das Fell über die Ohren gezogen wurde, in aller Öffentlichkeit mit ihren Messern, Gewehren und Pistolen gemeinsam wieder für Recht und Ordnung gesorgt hatten. Doch die aufgestaute Wut der betrogenen Männer suchte sich ein Ventil. Am Morgen des 17. Mai fand Salvatore seine Spelunke zerstört und niedergebrannt, und am nächsten Tag lag die übel zugerichtete Leiche seines Kumpels Adriano in einer abgelegenen Ecke des Seeufers. Jetzt läuteten für Salvatore alle Alarmglocken, die Sache wurde nun für ihn verdammt ernst. Er spürte, dass er das Spiel überreizt hatte, hielt sich tagelang versteckt, hatte seine erschwindelten Gelder vergraben und plante die Flucht. Aber noch immer hatte er kein Boot, und je öfter er unten am Strand nachzählte, umso öfter musste er feststellen, dass nicht ein einziges Boot ohne Passagiere oder Ladung übrig war. Und keiner der Männer war aus verständlichen Gründen bereit, ihn in ihren Booten mit zu den Goldfeldern am Klondike zu nehmen. Auch sehr großzügige finanzielle Angebote schlugen die Goldsucher brüsk aus, ließen ihn kalt links liegen und beschäftigten sich weiter intensiv mit den letzten Vorbereitungen für die so lange ersehnte Abreise. Der verzweifelte Versuch Fast acht endlose Monate am Ufer des Lake Lindemann hatten bei allen Männern gewaltig an den Nerven gezerrt, und über einhundert Mitbewohner der unübersichtlichen Zeltstadt hatten die Strapazen der Kälte und der Schneestürme nicht überlebt, waren an Verzweiflung, Hunger, Heimweh und Krankheiten gestorben, oder hatten ihrem vermeintlich sinnlos gewordenen Leben selbst ein Ende gemacht. Der kleine Friedhof in der Westecke des Lagers war übersät mit Kreuzen, auf denen die Namen der Toten aus aller Herren Länder zu lesen waren. |
Band 1 - Yukon River
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